Der Gertrudenberg



NUTZUNG DES GERTRUDEN BERGES

In meinem Text „Threcwiti“ über das in diesem Gau vermutete Stammesheiligtum der Istvaeonen stelle ich meine These vor, dass es sich bei dem in Osnabrück befindlichen Gertrudenberg um einen Ort handelt der vor sehr langer Zeit einmal das Zentrum dieses Heiligtums darstellte.

An dieser Stelle möchte ich kurz meine Überlegungen darlegen wie es in Betrachtung der zeitlichen Abfolge zu der Situation kommen konnte die wir heutzutage vorfinden, in der die gängige Lehrmeinung davon ausgeht, dass es sich hier um einen mittelalterlichen Steinbruch handelt, und auch warum womöglich eben dieser Berg für dieses Heiligtum ausgesucht wurde.

Meiner Meinung nach begann die Nutzung des Gebietes im und um das spätere Heiligtum der Germanen an dieser Stelle, bereits in der Megalithzeit und auch damals schon als heiliger Ort. Dass die Gegend um Osnabrück und die nordwestlich davon gelegenen Bereiche in dieser Zeit von Bedeutung waren erkennt man an der sehr hohen Zahl sog. Hünengräber im Bereich des heutigen Emslandes und in der Osnabrücker Gegend. Herausragend in diesem Zusammenhang sind sicherlich die sog. Karlssteine nördlich von Osnabrück im Haster Hone, denn dort hat man, entgegengesetzt der üblichen Praxis nicht Findlinge, sondern eine extra für den Bau dieses Objektes aus dem Piesberg herausgearbeitete mächtige Steinplatte, verwendet. Megalithische Spuren lassen sich ebenfalls im Bereich Hagens im Süden des heiligen Bezirkes finden. Der Gertrudenberg mit der sich darin befindlichen künstlichen Höhle, liegt ziemlich genau in der Mitte des von mir ausgemachten Heiligtums. Auf Grund der Namensgebung des Berges, der Namensgebung von Steinformationen nahe Hagen a.T.W., der Beschreibung eines Labyrinths, womöglich in Form einer sog. Trojaburg, innerhalb der Gertrudenberger Höhle durch Professor Lothmann,  dem Wissen um die Verehrung von Muttergottheiten zur damaligen Zeit und ähnlichen Aspekten gehe ich von einem Erdmutterkult aus der in diesem Gebiet stattfand und auch auf  und in dem Gertrudenberg praktiziert wurde.

Ich vermute, dass es zu diesem Zeitpunkt oben auf dem Berg bereits eine Höhle gab. Auf Grund der geologischen Beschaffenheit des Gertrudenberges ist es nicht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich, dass sich an der Stelle des Berges an der sich jetzt, im sog. Muschel- bzw. Trochitenkalk, die Gertrudenberger Höhle befindet, in früheren Zeiten auf natürliche Weise eine oder vielleicht auch mehrere, Halbhöhlen gebildet haben. Denn wie man beim Wikipediaeintrag zum „mittleren Muschelkalk“ nachlesen kann  „bildet dieser (der Mittlere Muschelkalk) in Hanglangen Verebnungsflächen mit tiefgründigen Böden aus“ während der „Untere und Obere Muschelkalk dagegen Steilstufen ausbilden“. Und das Carbonat im Kalkstein ist leicht wasserlöslich, was dazu führt, dass man sehr viel Höhlen gerade in Kalksteinen vorfindet. Die oben genannte Situation der Steilstufen und der Verebnungsfläche ist auch genau die, die man am Gertrudenberg vorfindet. Eine Zeichnung auf der man erkennen kann was ich meine findet man hier:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html. Man erkennt hier direkt über der aus Trochitenkalk gebildeten Steilstufe eine noch mächtigere Schicht aus wasserundurchlässigen Tonplatten. Dieser Aufbau kann durchaus dafür gesorgt haben, dass die  im Osnabrücker Land reichlich vorkommenden Niederschläge die über die Südseite des Berges, und damit über die entsprechende Kalkschicht, abliefen über die Zeit hinweg in eben diese eine oder vielleicht auch mehrere Halbhöhlen geschnitten haben.
Unabhängig ob es derartige Auswaschungen dereinst gegeben hat oder nicht, hat man an dieser Stelle ein künstliches Höhlensystem geschaffen. Ob die Gertrudenberger Höhlen nun von älteren Kulturen als den Germanen oder von ihnen selbst zu Kultzwecken in den Berg gegraben wurden vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Das Problem, dass sich hierbei stellt ist zum einen die Tatsache, dass man zwar erkennen kann ob Stein künstlich bearbeitet wurde aber nicht wann und zum anderen wurden die Höhlen def. in späteren Jahren als Kalksteinbruch verwendet und dadurch erweitert. Durch diese Aktionen wurden dann auch die meisten älteren Spuren einfach abgetragen. Dass man beim Bau der Höhle der Trochitenkalkschicht gefolgt ist kann zum einen an den erwähnten möglichen Halbhöhlen gelegen haben die man erweiterte, zum anderen aber auch schlicht an den Tatsachen, dass man die Höhle auf und nicht am Berg erreichten wollte und sich diese Kalksteinschicht dabei als die sinnvollste Position herausstellte, denn sowohl die Schicht des Mittleren Muschelkalkes als auch die der Tonplatten ist für so ein Vorhaben ungeeignet. Und die Kalkschicht ist sehr viel einfacher zu bearbeiten bzw. herauszuarbeiten, weil relativ weich, als die Keuperschichten die aus dem härteren Sandstein bestehen.

Ich geh davon aus, dass dieser Bereich, wie auch weitläufig das Gebiet um diesen Berg herum, von den Germanen als Kultplatz und heiliger Ort genutzt wurde. Sollte es vorher ein Erdmutterheiligtum an dieser Stelle gegeben haben, haben die Germanen dieses genauso übernommen wie es in späterer Zeit die katholische Kirche mit ihrem getan hat. Im Innern der Höhle befindet sich ein, natürlich ebenfalls durch Menschenhand geschaffener, Brunnen. Und den, auf eigenen Besuchen der Höhle basierenden, Beschreibungen des Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmanns nach befindet sich im Norden der Höhle ein Gang der in einem Labyrinth endet. Beide Strukturen sind kein Bestandteil irgendeines Steinbruches, dafür aber durchaus Indizien für eine kultisch genutzte Anlage. Die Entstehung des Brunnes wird jedoch anders erklärt.

Im Jahr 1333 hat das Benediktinerinnenkloster auf dem Gertrudenberg die sich darin befindlichen Höhlen im Tausch gegen „gutes Ackerland“ erworben. Dies wurde am 12 Mai dieses Jahres urkundlich festgehalten. In dieser Urkunde ist in Bezug auf die Höhlen von einem verlassenen Steinbruch die Rede, wörtlich heißt es dort „foveae lapidum desolatae“. Von einem zu dieser Zeit stattfindenden Abbau ist dort keine Rede. Im Gegenteil es wird erwähnt, dass ein solcher Abbau nicht stattfand. Mit dem Kloster hat nun ein Zweig der katholischen Kirche diese Höhlen erworben.  Als was anderes als einen Steinbruch hätten die klerikalen Damen und Herren denn diesen Ort bezeichnen sollen, selbst wenn es sich nicht um einen solchen gehandelt haben sollte. Schließlich lag und liegt es nicht im Interesse der Katholischen Kirche die Erinnerungen an frühere Glaubensmodelle aufrecht zu erhalten. Dagegen bezweifele ich nicht den Abbau von Kalkstein zu anderen urkundlich erwähnten Zeitpunkten nach 1333. Es spricht auch nichts dagegen, schließlich bestand durch die Höhle ja bereits ein Zugang zu den entsprechenden Schichten. Die jeweiligen kurzen Zeiträume in denen der Abbau geschah und die relativ großen zeitlichen Abstände dazwischen sind meiner Auffassung nach allerdings eine Bestätigung dafür, dass eine solche Nutzung auf Grund der minderen Qualität des dort zu findenden Kalkgesteins überwiegend nicht stattfand. Man hat den Abbau und die Nutzung desselben immer wieder einmal probiert und auch immer wieder sehr bald danach aufgegeben.

Solche Abbauarbeiten fanden den urkundlichen Quellen nach zum ersten Mal nach dem Erwerb der Höhlen durch das Kloster, um 1492 statt. Da der hier gewonnene Kalkstein lediglich zur Mörtelherstellung geeignet war, wird das zu dieser Zeit gewonnene Abbauprodukt, passend zur Zeit, wahrscheinlich auch genau dazu gebraucht worden sein, nämlich zur Mörtelherstellung für Mauern des Klosters oder anderer kirchlicher Bauten.

Für das Jahr 1540 ist der Betrieb eines Kalkofens auf der Nordseite des Gertrudenberges urkundlich festgehalten. Es wird allerdings nicht weiter vermerkt ob ausschließlich Kalkstein des Gertrudenberges oder auch solcher anderer Abbaustellen hier verbrannt wurde. Am wahrscheinlichsten ist sicherlich die Nutzung des vor Ort befindlichen Gesteins, da längere Wege immer mit größerem Aufwand und höheren Kosten verbunden sind. Wie viel Kalkstein zu dieser Zeit aus dem Berg gebrochen wurde ist nicht vermerkt. Sollten die Höhlen aber tatsächlich älteren Ursprungs sein ist noch eine weitere Überlegung von Interesse. Was wurde aus den Kalksteinen die aus dem Berg geschafft wurden um die Höhle als Heiligtum zu errichten? Denn weder die Germanen noch die Kulturen davor haben Mörtel verbaut. Und auch sind keine Megalithanlagen in und um Osnabrück bekannt die aus Kalkstein errichtet wurden. Das allerdings bedeutet nicht, dass es solche Anlagen nicht gegeben haben könnte. Einige, von deren ehemaliger Existenz man noch weiß, sind mittlerweile komplett verschwunden, so z.B. die Megalithanlage die sich einmal nahe der Stelle des heutigen Osnabrücker Domes befand oder die Steinsäule die dereinst von einem Steinkreis umringt dort stand, wo sich heute der Johannesfriedhof befindet. Es könnte durchaus sein, dass die beim Bau der Höhle zu Tage geförderten Steine von den Erbauern in der einen oder anderen Art auf dem Berg und um den Höhleneingang gruppiert wurden und dass man mit Beginn der Nutzung des Kalksteins zur Herstellung von sog. Brennkalk zunächst diese noch offen daliegenden Mengen verbrannt hat.

Den Urkunden nach wurden die Gertrudenberger Höhlen zwischen den Jahren 1576 und 1582 und zwischen den Jahren 1626 und 1633 noch einmal als Steinbruch verwendet. In beiden Fällen war die Ursache dafür eine temporär besonders hohe Nachfrage an Baumaterial.  Im ersten Fall geschah dies weil man Befestigungsanlagen erbaute und im zweiten Fall für den Bau der Petersburg im Südosten vor den Toren der Stadt.

Die nächsten Erwähnungen betreffen das Jahr 1701. Dort ist die Rede davon, dass kein Abbau mehr stattfand und sich in den Höhlen bereits eingestürzte Gänge befinden.

Der aus Osnabrück stammende Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann (1720 - 1755) und sein Jugendfreund Justus Möser (1720 – 1794) gingen zu ihrer Zeit davon aus, dass es ich bei den Gertrudenberger Höhlen um ein altes germanisches Heiligtum gehandelt habe. Von Professor Lothmann hat sich ein ausführlicher Bericht aus dem Jahr 1753 erhalten in dem er seine persönlichen Erlebnisse bei der Begehung der Gertrudenberger Höhlen beschreibt. Offensichtlich war es zu seiner Zeit jedermann möglich die Höhlen ohne Einschränkungen zu betreten. Lothmann beschreibt hierin auch das oben bereits erwähnte Labyrinth. Er schreibt, dass wenn man die Höhle durch den Haupteingang bestritt und sich zur linken Seite, das heißt nach Norden begibt man dort an drei Öffnungen gelangt. Diese seien zunächst direkt unter einander verbunden, weisen dann aber unterschiedliche Ausrichtungen und Strukturen auf. Der erste führe in einer mehr oder weniger geraden Linie in Richtung Nordwesten. Der zweite führe in mehreren Windungen wieder zurück wobei er durch mehrere größere Hohlräume unterbrochen würde. Und der dritte münde schließlich in ein begehbares Labyrinth. Keiner dieser Gänge ist heutzutage mehr zugänglich und seine Äußerung bezüglich des Labyrinthes hat man im Nachhinein so umgedeutet als würde er die Höhle an sich als Labyrinth beschreiben. Für den ersten Gang gibt es mittlerweile eine, wenn auch ungewollte, Bestätigung. Nordöstlich der Höhle wurde 1968 ein Altenheim errichtet, das „Haus am Bürgerpark“. Um diesem Gebäude ein entsprechendes Fundament zu geben pumpte man damals Beton in den Boden und stellte überraschend fest, dass dieser zu verschwinden schien. Am Ende musste sehr viel mehr Beton in den Boden gepumpt werden als vorher errechnet wurde. Des Rätsels Lösung ist der schon von Lothmann beschriebene Gang. Hier hinein floss der Beton und tauchte später in der Höhle wieder auf. Ein Labyrinth innerhalb eines unterirdischen Steinbruches ist in der Tat nahezu sinnfrei. Es sei denn der abzubauende Stein wäre in dieser Formation vorzufinden, doch das ist nahezu ausgeschlossen. Zumal, sollte es sich bei diesem Labyrinth um die Form einer sog. Trojaburg handeln ist die Nutzung der Höhle als Kultstätte praktisch erwiesen.

Abb. 2: Trojaburg

Die Frage ist was Lothmann mit dem Begriff Labyrinth meinte. Ein Labyrinth im engeren Sinn ist ein verschlungener Weg ohne Verzweigungen, der unter regelmäßigem Richtungswechsel zum Mittelpunkt führt. In einem solchen Labyrinth ist es nicht möglich sich zu verirren. Ein Labyrinth im weiteren Sinn ist ein System mit Wegverzeigungen, das also auch Sackgassen oder geschlossene Schleifen enthält. Im deutschen Sprachbereich wird eine derartige Struktur auch als Irrgarten bezeichnet. Hier ist ein Verirren möglich und meist der Sinn der Anlage. [Quelle: Gernot Candolini: Das geheimnisvolle Labyrinth. Mythos und Geschichte. Pattloch, München 2008]. Mir ist nicht bekannt ab wann in der Geschichte der deutschen Sprache der Begriff Labyrinth auch, manchmal sogar in erster Linie, mit der zweiten Definition, also im „weiteren Sinn“, gebraucht wird. Lothmann lebte im 18. Jahrhundert. Es ist daher gut möglich, dass er unter dem Begriff Labyrinth, für ihn und alle anderen seiner Zeit ganz selbstverständlich, die ursprüngliche Definition, das heißt die Definition im engeren Sinn, verstand und damit auch beschrieb. Sollte es so sein, wird sofort klar warum er und seine Zeitgenossen, wie z.B. Justus Möser, in diesen Höhlen eine kultische Anlage sahen.

Die letzte Erwähnung über den Abbau von Gestein am Gertrudenberg findet sich für das Jahr 1803. In dem Jahr stürzte der Haupteingang der Höhle, beim Versuch des Klosters ein, dort Steine zu brechen. Dieser Abbau fand also nicht mehr tief im Inneren der Höhle sondern an ihrem äußeren Rand statt. Danach fand kein Abbau von Kalkgestein in der Höhle mehr statt.

Dafür wurden die Höhlen im 19. Jahrhundert auf Grund idealer Bedingungen, wie einer konstanten Temperatur von 5° bis 8° C., als Bierkeller genutzt und in diesem Zusammenhang baulich verändert. Insgesamt teilten sich zu diesem Zweck drei verschiedene Brauereien die Höhle. „Im nordwestlichen Bereich der Höhle befanden sich in mehreren Räumen die Bierkeller der Brauerei Berckemeyer & Schulze. Diese wurde 1855 als Brauerei gegründet und später als Brauerei Gustav A. Schulze weitergeführt. Im mittleren westlichen Teil der Höhle befanden sich die Bierkeller der Brauerei Johann Gerhard Heilmann (1837 – 1881) und im mittleren östlichen Teil der Höhle lagen die Bierkeller der 1866 gegründeten „Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter“ die später als „Gertrudenberger Bierbrauerei“ und „Bürgerliches Brauhaus GmbH“ weitergeführt wurde.“ [Quelle:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html]. Um ihre jeweiligen Bereiche abzugrenzen ließen die einzelnen Brauereibesitzer Ziegelmauern durch die Höhle ziehen. Zudem befreiten sie ihre jeweiligen Bereiche von vorhandenem Schutt und verbrachten diesen in angrenzende Gänge von denen einige teilweise verschüttet waren. Anschließend wurden diese Gänge zugemauert, was sie noch heute sind. Hinter einem dieser zugemauerten Gänge befindet sich auch das oben erwähnte Labyrinth.

In dieser Zeit war Johann Carl Bertram Stüve (1798 – 1872) Bürgermeister von Osnabrück. Ihm waren die Berichte über die Gertrudenberger Höhlen als Kultplätze durchaus bekannt. Aber er beschrieb die Höhlen 1858 als eindeutige Steinbrüche zur Gewinnung von Kalkstein. Zitat: „Sie (die Höhle) ist aber weiter nichts als die Fortsetzung des Baus auf Kalkstein, den man hier, durch die Lagerung veranlaßt, bergmännisch zu gewinnen vorzog. (...) Man hat den Kalk wohl theils auf der Ziegelei, dann aber auch am nördlichen Ende der Berges gebrannt, wo ungeheure Haufen Kalkasche lagern." [Quelle:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html]. Und bei dieser Erklärung ist es seit dem geblieben, sie ist bis heute die offizielle Position die Höhle betreffend.

Aber gibt diese Position eine unabhängige, unbefangene und neutrale Betrachtung der tatsächlichen Situation wider? Ich denke nein. Stüve hatte durchaus ein Interesse daran in den Höhlen Steinbrüche und nichts anderes zu sehen, ähnlich wie seinerzeit auch das Kloster. Seine Motive waren jedoch nicht religiöser Art sondern rein politisch finanzieller Natur. Zu seiner Zeit kam gerade das Interesse an der germanischen Vergangenheit in Mode und so stand Stüve vor der Wahl diejenigen in die Höhle zu lassen, die darin ein Heiligtum sahen und sie eine Höhle erkunden zu lassen, die man bereits zu kennen glaubte und in der ihrer Meinung nach nichts interessantes mehr zu finden war. Oder aber die Höhlen den Brauereien zu überlassen und so auf diese Weise die lokale Wirtschaft, im doppelten Sinne des Wortes, zu fördern, also in den lokalen Standort zu investieren. Er entschied sich für den potentiellen finanziellen Gewinn. Um diese Entscheidung rechtfertigen zu können und auch im Nachhinein eventuellen Problemen aus dem Weg zu gehen, erklärte er die Höhlen in ihrer gesamten zeitlichen Existenz zu einem Steinbruch. Eine wissenschaftliche Untersuchung die diese Darstellung hätte bestätigen oder widerlegen können fand bis heute nicht statt.

Während der 1930er Jahre wurden die Gertrudenberger Höhlen vom völkischen Laienforscher Wilhelm Teudt „untersucht“. Seiner Meinung nach waren die Höhlen in Bezug auf Germanische Heiligtümer nicht von besonderem Interesse und schon gar kein Vergleich zu den Externsteinen. Dazu muss man wissen, dass Teudt von den Externsteinen geradezu besessen war. Für ihn stand zweifelsfrei fest, dass es sich bei ihnen um das bedeutendste germanische Heiligtum schlechthin gehandelt hat. Dies ist auch heute noch eine weit verbreitete Ansicht, allerdings konnte sie weder durch Untersuchungen der Nazis  noch durch andere Untersuchungen einwandfrei bestätigt werden.

Angesichts der Geschichte des Dritten Reiches und der damit verbundenen Scheu in diesem Land sich mit den Germanen zu beschäftigen, obwohl faktisch betrachtet dieser Teil der Geschichte nichts mit dem des Dritten Reiches zu tun hat, außer der dort gemachten Geschichtsklitterung, hat seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kaum jemand öffentlich von der Möglichkeit eines germanischen Heiligtums auf und im Gertrudenberg gesprochen. Die im 19. Jahrhundert von Stüve propagierte Erklärung scheint den Menschen Recht gewesen zu sein, zumal die Höhlen während des zweiten Weltkrieges als Luftschutzbunker genutzt wurden und diese Zeit ganz allgemein eine ist, die die Menschen gerne vergessen würden.

1993 erschien das Buch „Das Gertrudenberger Loch – eine künstliche Höhle in Osnabrück“ von Hans Morlo. Er fasst darin die bisherigen „Kenntnisse“ über die Höhlen zusammen. Dabei geht er unter anderem auch auf Legenden die sich um diese Höhlen ranken ein und er thematisiert die Theorien über ein germanisches Heiligtum. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass ein solches im Gertrudenberg niemals existent war.

Gleiches gilt auch für die zwei bislang gestarteten Versuche mit Hilfe eines Vereins die Öffnung der Höhlen für die Öffentlichkeit zu bewirken. Der zweite Verein dieser Art wurde im Februar 2011 in Osnabrück gegründet. Die Betreiber beider Vereine haben die offizielle Version übernommen und jeweils eine Artikelserie in der „ON am Sonntag“ veröffentlicht. In beiden Fällen entsprachen die dargestellten Versionen genau den Beschreibungen Morlos in seinem Buch.

Ich bin jedoch anderer Ansicht als sie und nicht von der offiziellen Version, die Geschichte der Gertrudenberger Höhlen betreffend, überzeugt. Meiner Meinung nach sprechen eine ganze Menge Gründe für ein Heiligtum in den Höhlen. Genauer gesagt halte ich die Höhlen für den zentralen Teil eines noch viel größeren heiligen Komplexes.
Heutzutage besteht die Schwierigkeit darin die eine oder die andere These zu beweisen. Sollten nicht noch historische Dokumente auftauchen die das eindeutig belegen gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten. In meiner Version verneine ich nicht die zeitweilige Nutzung der Höhlen als Steinbruch. Durch diese Nutzung ist die Höhle insoweit verändert worden, dass nicht mehr feststellbar ist, ob es hier vormals natürliche (Halb-)Höhlen gab oder wie der Komplex vor der Übernahme durch das Kloster ausgesehen hat. Die einzigen noch übrig gebliebenen Punkte um die Theorie eines Heiligtums zu bestätigen sind vier Aspekte der Höhle die kein normaler Bestandteil eines Steinbruchs sind, ja sogar in einem solchen absolut keinerlei Sinn machen. Diese sind der Brunnen, das Labyrinth, der Gang unter dem Fluss hindurch in die Stadt und die sog. Schneckengänge.

Diese „Schneckengänge“ existierten nördlich des ursprünglichen Höhleneinganges. Bei ihnen handelte es sich um unterirdische, sich nach unten hin konisch verjüngende Trichter, die untereinander, ebenfalls unterirdisch, miteinander verbunden waren. Man hat ihre Existenz erst wahrgenommen als die Decken dieser Trichter einstürzten.  Der erste von Lothmann erwähnte und bereits bestätigte Gang führte genau auf diese beiden Trichter zu. Diese Verbindung schien die einzige zu sein die die „Schneckengänge“ mit der Oberfläche verbanden. Doch existieren diese Trichter nicht mehr wodurch eine Untersuchung unmöglich ist.

Ähnlich unmöglich ist auch die Untersuchung des Brunnens, denn man kann auf wissenschaftlichem Weg nicht feststellen wann, nur dass er gebaut wurde. Die einzige Möglichkeit hier die Theorie eines Heiligtums zu bestätigen bestünde darin, dass man Dokumente und Urkunden fände die belegen, dass der Auftrag des Klosters nur darin bestand die Höhlendecke über dem schon vorhandenen Brunnen zu durchstoßen. Vielleicht könnte man einen derartigen „Beweis“ indirekt führen wenn man die angeführten Kosten umrechnet und sich daraus ergeben würde, dass die Unkosten des Klosters bei weitem nicht hoch genug waren um den kompletten Brunnen errichten zu lassen. Ein wirklicher Beweis wäre aber auch das nicht, denn es könnte ja sein, dass man damals zwei Rechnungen erstellte von denen nur noch eine erhalten ist. Eine der Rechnungen könnte, vielleicht aus dem Grund, dass die beiden Aktionen zeitlich zu weit auseinander lagen, in diesem Fall für den Bau des Brunnens und eine für die Deckenöffnung gewesen sein.

Ein starkes Indiz für ein Heiligtum wäre sicherlich der angebliche unter der Hase hindurch führende Gang vom Berg bis zum Standort des jetzigen Doms. Ein Beweis wäre dieser leider aber auch nicht.

Der einzig mögliche Beweis für die Nutzung dieses Ortes als Heiligtum liegt in dem von Lothmann beschriebenen Labyrinth. Sollte ein solches existieren und die Form einer Trojaburg haben, halte ich es für erwiesen, dass es sich hier um ein „heidnisches Heiligtum“ handelt. Sollte ein solches Labyrinth existieren, aber eine andere Form besitzen muss untersucht werden ob die Gänge der natürlichen Formation des Gesteins folgen oder nicht. Folgen sie dieser Formation ist dies ein Indiz für einen Steinbruch, denn dann kann man diese Gänge als Erkundungsgänge interpretieren. Verlaufen die Gänge jedoch den natürlichen Gesteinsschichten völlig konträr ist dies ein Indiz für ein Heiligtum. Allerdings leider nur ein Indiz. Gibt es dieses Labyrinth nicht, wie nach offizieller Lesart, ist das kein Beweis gegen die Theorie eines Heiligtums, sondern lediglich der Beweis dafür, dass die Beschreibungen Professor Lothmanns nicht zutreffend sind, er also gelogen oder zumindest gewaltig übertrieben hat. Ich sehe allerdings keinerlei Veranlassung an den Worten Lothmanns zu zweifeln, schließlich handelt es sich bei seinem Bericht um eine in seiner Zeit leicht nachzuprüfen gewesene Behauptung. In seiner Position als angesehener Professor und Jurist hätte ihm eine solche Falschaussage auch sicherlich immens geschadet. Auch hätte er durch eine falsche Behauptung keinerlei Vorteile gehabt, weder beruflich, noch privat oder finanziell.

Daher geh ich davon aus, dass dieses beschriebene Labyrinth tatsächlich existiert. Hier ist der Punkt an dem angesetzt werden muss um zu überprüfen welche der beiden Theorien den Tatsachen entspricht.
 
 

NUTZUNG DES GERTRUDENBERGES

 
 
 
 

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NUTZUNG DES GERTRUDENBERGES

In meinem Text „Threcwiti“ über das in diesem Gau vermutete Stammesheiligtum der Istvaeonen stelle ich meine These vor, dass es sich bei dem in Osnabrück befindlichen Gertrudenberg um einen Ort handelt der vor sehr langer Zeit einmal das Zentrum dieses Heiligtums darstellte.

An dieser Stelle möchte ich kurz meine Überlegungen darlegen wie es in Betrachtung der zeitlichen Abfolge zu der Situation kommen konnte die wir heutzutage vorfinden, in der die gängige Lehrmeinung davon ausgeht, dass es sich hier um einen mittelalterlichen Steinbruch handelt, und auch warum womöglich eben dieser Berg für dieses Heiligtum ausgesucht wurde.

Meiner Meinung nach begann die Nutzung des Gebietes im und um das spätere Heiligtum der Germanen an dieser Stelle, bereits in der Megalithzeit und auch damals schon als heiliger Ort. Dass die Gegend um Osnabrück und die nordwestlich davon gelegenen Bereiche in dieser Zeit von Bedeutung waren erkennt man an der sehr hohen Zahl sog. Hünengräber im Bereich des heutigen Emslandes und in der Osnabrücker Gegend. Herausragend in diesem Zusammenhang sind sicherlich die sog. Karlssteine nördlich von Osnabrück im Haster Hone, denn dort hat man, entgegengesetzt der üblichen Praxis nicht Findlinge, sondern eine extra für den Bau dieses Objektes aus dem Piesberg herausgearbeitete mächtige Steinplatte, verwendet. Megalithische Spuren lassen sich ebenfalls im Bereich Hagens im Süden des heiligen Bezirkes finden. Der Gertrudenberg mit der sich darin befindlichen künstlichen Höhle, liegt ziemlich genau in der Mitte des von mir ausgemachten Heiligtums. Auf Grund der Namensgebung des Berges, der Namensgebung von Steinformationen nahe Hagen a.T.W., der Beschreibung eines Labyrinths, womöglich in Form einer sog. Trojaburg, innerhalb der Gertrudenberger Höhle durch Professor Lothmann,  dem Wissen um die Verehrung von Muttergottheiten zur damaligen Zeit und ähnlichen Aspekten gehe ich von einem Erdmutterkult aus der in diesem Gebiet stattfand und auch auf  und in dem Gertrudenberg praktiziert wurde.

Ich vermute, dass es zu diesem Zeitpunkt oben auf dem Berg bereits eine Höhle gab. Auf Grund der geologischen Beschaffenheit des Gertrudenberges ist es nicht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich, dass sich an der Stelle des Berges an der sich jetzt, im sog. Muschel- bzw. Trochitenkalk, die Gertrudenberger Höhle befindet, in früheren Zeiten auf natürliche Weise eine oder vielleicht auch mehrere, Halbhöhlen gebildet haben. Denn wie man beim Wikipediaeintrag zum „mittleren Muschelkalk“ nachlesen kann  „bildet dieser (der Mittlere Muschelkalk) in Hanglangen Verebnungsflächen mit tiefgründigen Böden aus“ während der „Untere und Obere Muschelkalk dagegen Steilstufen ausbilden“. Und das Carbonat im Kalkstein ist leicht wasserlöslich, was dazu führt, dass man sehr viel Höhlen gerade in Kalksteinen vorfindet. Die oben genannte Situation der Steilstufen und der Verebnungsfläche ist auch genau die, die man am Gertrudenberg vorfindet. Eine Zeichnung auf der man erkennen kann was ich meine findet man hier:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html. Man erkennt hier direkt über der aus Trochitenkalk gebildeten Steilstufe eine noch mächtigere Schicht aus wasserundurchlässigen Tonplatten. Dieser Aufbau kann durchaus dafür gesorgt haben, dass die  im Osnabrücker Land reichlich vorkommenden Niederschläge die über die Südseite des Berges, und damit über die entsprechende Kalkschicht, abliefen über die Zeit hinweg in eben diese eine oder vielleicht auch mehrere Halbhöhlen geschnitten haben.
Unabhängig ob es derartige Auswaschungen dereinst gegeben hat oder nicht, hat man an dieser Stelle ein künstliches Höhlensystem geschaffen. Ob die Gertrudenberger Höhlen nun von älteren Kulturen als den Germanen oder von ihnen selbst zu Kultzwecken in den Berg gegraben wurden vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Das Problem, dass sich hierbei stellt ist zum einen die Tatsache, dass man zwar erkennen kann ob Stein künstlich bearbeitet wurde aber nicht wann und zum anderen wurden die Höhlen def. in späteren Jahren als Kalksteinbruch verwendet und dadurch erweitert. Durch diese Aktionen wurden dann auch die meisten älteren Spuren einfach abgetragen. Dass man beim Bau der Höhle der Trochitenkalkschicht gefolgt ist kann zum einen an den erwähnten möglichen Halbhöhlen gelegen haben die man erweiterte, zum anderen aber auch schlicht an den Tatsachen, dass man die Höhle auf und nicht am Berg erreichten wollte und sich diese Kalksteinschicht dabei als die sinnvollste Position herausstellte, denn sowohl die Schicht des Mittleren Muschelkalkes als auch die der Tonplatten ist für so ein Vorhaben ungeeignet. Und die Kalkschicht ist sehr viel einfacher zu bearbeiten bzw. herauszuarbeiten, weil relativ weich, als die Keuperschichten die aus dem härteren Sandstein bestehen.

Ich geh davon aus, dass dieser Bereich, wie auch weitläufig das Gebiet um diesen Berg herum, von den Germanen als Kultplatz und heiliger Ort genutzt wurde. Sollte es vorher ein Erdmutterheiligtum an dieser Stelle gegeben haben, haben die Germanen dieses genauso übernommen wie es in späterer Zeit die katholische Kirche mit ihrem getan hat. Im Innern der Höhle befindet sich ein, natürlich ebenfalls durch Menschenhand geschaffener, Brunnen. Und den, auf eigenen Besuchen der Höhle basierenden, Beschreibungen des Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmanns nach befindet sich im Norden der Höhle ein Gang der in einem Labyrinth endet. Beide Strukturen sind kein Bestandteil irgendeines Steinbruches, dafür aber durchaus Indizien für eine kultisch genutzte Anlage. Die Entstehung des Brunnes wird jedoch anders erklärt.

Im Jahr 1333 hat das Benediktinerinnenkloster auf dem Gertrudenberg die sich darin befindlichen Höhlen im Tausch gegen „gutes Ackerland“ erworben. Dies wurde am 12 Mai dieses Jahres urkundlich festgehalten. In dieser Urkunde ist in Bezug auf die Höhlen von einem verlassenen Steinbruch die Rede, wörtlich heißt es dort „foveae lapidum desolatae“. Von einem zu dieser Zeit stattfindenden Abbau ist dort keine Rede. Im Gegenteil es wird erwähnt, dass ein solcher Abbau nicht stattfand. Mit dem Kloster hat nun ein Zweig der katholischen Kirche diese Höhlen erworben.  Als was anderes als einen Steinbruch hätten die klerikalen Damen und Herren denn diesen Ort bezeichnen sollen, selbst wenn es sich nicht um einen solchen gehandelt haben sollte. Schließlich lag und liegt es nicht im Interesse der Katholischen Kirche die Erinnerungen an frühere Glaubensmodelle aufrecht zu erhalten. Dagegen bezweifele ich nicht den Abbau von Kalkstein zu anderen urkundlich erwähnten Zeitpunkten nach 1333. Es spricht auch nichts dagegen, schließlich bestand durch die Höhle ja bereits ein Zugang zu den entsprechenden Schichten. Die jeweiligen kurzen Zeiträume in denen der Abbau geschah und die relativ großen zeitlichen Abstände dazwischen sind meiner Auffassung nach allerdings eine Bestätigung dafür, dass eine solche Nutzung auf Grund der minderen Qualität des dort zu findenden Kalkgesteins überwiegend nicht stattfand. Man hat den Abbau und die Nutzung desselben immer wieder einmal probiert und auch immer wieder sehr bald danach aufgegeben.

Solche Abbauarbeiten fanden den urkundlichen Quellen nach zum ersten Mal nach dem Erwerb der Höhlen durch das Kloster, um 1492 statt. Da der hier gewonnene Kalkstein lediglich zur Mörtelherstellung geeignet war, wird das zu dieser Zeit gewonnene Abbauprodukt, passend zur Zeit, wahrscheinlich auch genau dazu gebraucht worden sein, nämlich zur Mörtelherstellung für Mauern des Klosters oder anderer kirchlicher Bauten.

Für das Jahr 1540 ist der Betrieb eines Kalkofens auf der Nordseite des Gertrudenberges urkundlich festgehalten. Es wird allerdings nicht weiter vermerkt ob ausschließlich Kalkstein des Gertrudenberges oder auch solcher anderer Abbaustellen hier verbrannt wurde. Am wahrscheinlichsten ist sicherlich die Nutzung des vor Ort befindlichen Gesteins, da längere Wege immer mit größerem Aufwand und höheren Kosten verbunden sind. Wie viel Kalkstein zu dieser Zeit aus dem Berg gebrochen wurde ist nicht vermerkt. Sollten die Höhlen aber tatsächlich älteren Ursprungs sein ist noch eine weitere Überlegung von Interesse. Was wurde aus den Kalksteinen die aus dem Berg geschafft wurden um die Höhle als Heiligtum zu errichten? Denn weder die Germanen noch die Kulturen davor haben Mörtel verbaut. Und auch sind keine Megalithanlagen in und um Osnabrück bekannt die aus Kalkstein errichtet wurden. Das allerdings bedeutet nicht, dass es solche Anlagen nicht gegeben haben könnte. Einige, von deren ehemaliger Existenz man noch weiß, sind mittlerweile komplett verschwunden, so z.B. die Megalithanlage die sich einmal nahe der Stelle des heutigen Osnabrücker Domes befand oder die Steinsäule die dereinst von einem Steinkreis umringt dort stand, wo sich heute der Johannesfriedhof befindet. Es könnte durchaus sein, dass die beim Bau der Höhle zu Tage geförderten Steine von den Erbauern in der einen oder anderen Art auf dem Berg und um den Höhleneingang gruppiert wurden und dass man mit Beginn der Nutzung des Kalksteins zur Herstellung von sog. Brennkalk zunächst diese noch offen daliegenden Mengen verbrannt hat.

Den Urkunden nach wurden die Gertrudenberger Höhlen zwischen den Jahren 1576 und 1582 und zwischen den Jahren 1626 und 1633 noch einmal als Steinbruch verwendet. In beiden Fällen war die Ursache dafür eine temporär besonders hohe Nachfrage an Baumaterial.  Im ersten Fall geschah dies weil man Befestigungsanlagen erbaute und im zweiten Fall für den Bau der Petersburg im Südosten vor den Toren der Stadt.

Die nächsten Erwähnungen betreffen das Jahr 1701. Dort ist die Rede davon, dass kein Abbau mehr stattfand und sich in den Höhlen bereits eingestürzte Gänge befinden.

Der aus Osnabrück stammende Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann (1720 - 1755) und sein Jugendfreund Justus Möser (1720 – 1794) gingen zu ihrer Zeit davon aus, dass es ich bei den Gertrudenberger Höhlen um ein altes germanisches Heiligtum gehandelt habe. Von Professor Lothmann hat sich ein ausführlicher Bericht aus dem Jahr 1753 erhalten in dem er seine persönlichen Erlebnisse bei der Begehung der Gertrudenberger Höhlen beschreibt. Offensichtlich war es zu seiner Zeit jedermann möglich die Höhlen ohne Einschränkungen zu betreten. Lothmann beschreibt hierin auch das oben bereits erwähnte Labyrinth. Er schreibt, dass wenn man die Höhle durch den Haupteingang bestritt und sich zur linken Seite, das heißt nach Norden begibt man dort an drei Öffnungen gelangt. Diese seien zunächst direkt unter einander verbunden, weisen dann aber unterschiedliche Ausrichtungen und Strukturen auf. Der erste führe in einer mehr oder weniger geraden Linie in Richtung Nordwesten. Der zweite führe in mehreren Windungen wieder zurück wobei er durch mehrere größere Hohlräume unterbrochen würde. Und der dritte münde schließlich in ein begehbares Labyrinth. Keiner dieser Gänge ist heutzutage mehr zugänglich und seine Äußerung bezüglich des Labyrinthes hat man im Nachhinein so umgedeutet als würde er die Höhle an sich als Labyrinth beschreiben. Für den ersten Gang gibt es mittlerweile eine, wenn auch ungewollte, Bestätigung. Nordöstlich der Höhle wurde 1968 ein Altenheim errichtet, das „Haus am Bürgerpark“. Um diesem Gebäude ein entsprechendes Fundament zu geben pumpte man damals Beton in den Boden und stellte überraschend fest, dass dieser zu verschwinden schien. Am Ende musste sehr viel mehr Beton in den Boden gepumpt werden als vorher errechnet wurde. Des Rätsels Lösung ist der schon von Lothmann beschriebene Gang. Hier hinein floss der Beton und tauchte später in der Höhle wieder auf. Ein Labyrinth innerhalb eines unterirdischen Steinbruches ist in der Tat nahezu sinnfrei. Es sei denn der abzubauende Stein wäre in dieser Formation vorzufinden, doch das ist nahezu ausgeschlossen. Zumal, sollte es sich bei diesem Labyrinth um die Form einer sog. Trojaburg handeln ist die Nutzung der Höhle als Kultstätte praktisch erwiesen.

Abb. 2: Trojaburg

Die Frage ist was Lothmann mit dem Begriff Labyrinth meinte. Ein Labyrinth im engeren Sinn ist ein verschlungener Weg ohne Verzweigungen, der unter regelmäßigem Richtungswechsel zum Mittelpunkt führt. In einem solchen Labyrinth ist es nicht möglich sich zu verirren. Ein Labyrinth im weiteren Sinn ist ein System mit Wegverzeigungen, das also auch Sackgassen oder geschlossene Schleifen enthält. Im deutschen Sprachbereich wird eine derartige Struktur auch als Irrgarten bezeichnet. Hier ist ein Verirren möglich und meist der Sinn der Anlage. [Quelle: Gernot Candolini: Das geheimnisvolle Labyrinth. Mythos und Geschichte. Pattloch, München 2008]. Mir ist nicht bekannt ab wann in der Geschichte der deutschen Sprache der Begriff Labyrinth auch, manchmal sogar in erster Linie, mit der zweiten Definition, also im „weiteren Sinn“, gebraucht wird. Lothmann lebte im 18. Jahrhundert. Es ist daher gut möglich, dass er unter dem Begriff Labyrinth, für ihn und alle anderen seiner Zeit ganz selbstverständlich, die ursprüngliche Definition, das heißt die Definition im engeren Sinn, verstand und damit auch beschrieb. Sollte es so sein, wird sofort klar warum er und seine Zeitgenossen, wie z.B. Justus Möser, in diesen Höhlen eine kultische Anlage sahen.

Die letzte Erwähnung über den Abbau von Gestein am Gertrudenberg findet sich für das Jahr 1803. In dem Jahr stürzte der Haupteingang der Höhle, beim Versuch des Klosters ein, dort Steine zu brechen. Dieser Abbau fand also nicht mehr tief im Inneren der Höhle sondern an ihrem äußeren Rand statt. Danach fand kein Abbau von Kalkgestein in der Höhle mehr statt.

Dafür wurden die Höhlen im 19. Jahrhundert auf Grund idealer Bedingungen, wie einer konstanten Temperatur von 5° bis 8° C., als Bierkeller genutzt und in diesem Zusammenhang baulich verändert. Insgesamt teilten sich zu diesem Zweck drei verschiedene Brauereien die Höhle. „Im nordwestlichen Bereich der Höhle befanden sich in mehreren Räumen die Bierkeller der Brauerei Berckemeyer & Schulze. Diese wurde 1855 als Brauerei gegründet und später als Brauerei Gustav A. Schulze weitergeführt. Im mittleren westlichen Teil der Höhle befanden sich die Bierkeller der Brauerei Johann Gerhard Heilmann (1837 – 1881) und im mittleren östlichen Teil der Höhle lagen die Bierkeller der 1866 gegründeten „Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter“ die später als „Gertrudenberger Bierbrauerei“ und „Bürgerliches Brauhaus GmbH“ weitergeführt wurde.“ [Quelle:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html]. Um ihre jeweiligen Bereiche abzugrenzen ließen die einzelnen Brauereibesitzer Ziegelmauern durch die Höhle ziehen. Zudem befreiten sie ihre jeweiligen Bereiche von vorhandenem Schutt und verbrachten diesen in angrenzende Gänge von denen einige teilweise verschüttet waren. Anschließend wurden diese Gänge zugemauert, was sie noch heute sind. Hinter einem dieser zugemauerten Gänge befindet sich auch das oben erwähnte Labyrinth.

In dieser Zeit war Johann Carl Bertram Stüve (1798 – 1872) Bürgermeister von Osnabrück. Ihm waren die Berichte über die Gertrudenberger Höhlen als Kultplätze durchaus bekannt. Aber er beschrieb die Höhlen 1858 als eindeutige Steinbrüche zur Gewinnung von Kalkstein. Zitat: „Sie (die Höhle) ist aber weiter nichts als die Fortsetzung des Baus auf Kalkstein, den man hier, durch die Lagerung veranlaßt, bergmännisch zu gewinnen vorzog. (...) Man hat den Kalk wohl theils auf der Ziegelei, dann aber auch am nördlichen Ende der Berges gebrannt, wo ungeheure Haufen Kalkasche lagern." [Quelle:
http://www.geo-iburg.de.vu/Gertrudenberg.html]. Und bei dieser Erklärung ist es seit dem geblieben, sie ist bis heute die offizielle Position die Höhle betreffend.

Aber gibt diese Position eine unabhängige, unbefangene und neutrale Betrachtung der tatsächlichen Situation wider? Ich denke nein. Stüve hatte durchaus ein Interesse daran in den Höhlen Steinbrüche und nichts anderes zu sehen, ähnlich wie seinerzeit auch das Kloster. Seine Motive waren jedoch nicht religiöser Art sondern rein politisch finanzieller Natur. Zu seiner Zeit kam gerade das Interesse an der germanischen Vergangenheit in Mode und so stand Stüve vor der Wahl diejenigen in die Höhle zu lassen, die darin ein Heiligtum sahen und sie eine Höhle erkunden zu lassen, die man bereits zu kennen glaubte und in der ihrer Meinung nach nichts interessantes mehr zu finden war. Oder aber die Höhlen den Brauereien zu überlassen und so auf diese Weise die lokale Wirtschaft, im doppelten Sinne des Wortes, zu fördern, also in den lokalen Standort zu investieren. Er entschied sich für den potentiellen finanziellen Gewinn. Um diese Entscheidung rechtfertigen zu können und auch im Nachhinein eventuellen Problemen aus dem Weg zu gehen, erklärte er die Höhlen in ihrer gesamten zeitlichen Existenz zu einem Steinbruch. Eine wissenschaftliche Untersuchung die diese Darstellung hätte bestätigen oder widerlegen können fand bis heute nicht statt.

Während der 1930er Jahre wurden die Gertrudenberger Höhlen vom völkischen Laienforscher Wilhelm Teudt „untersucht“. Seiner Meinung nach waren die Höhlen in Bezug auf Germanische Heiligtümer nicht von besonderem Interesse und schon gar kein Vergleich zu den Externsteinen. Dazu muss man wissen, dass Teudt von den Externsteinen geradezu besessen war. Für ihn stand zweifelsfrei fest, dass es sich bei ihnen um das bedeutendste germanische Heiligtum schlechthin gehandelt hat. Dies ist auch heute noch eine weit verbreitete Ansicht, allerdings konnte sie weder durch Untersuchungen der Nazis  noch durch andere Untersuchungen einwandfrei bestätigt werden.

Angesichts der Geschichte des Dritten Reiches und der damit verbundenen Scheu in diesem Land sich mit den Germanen zu beschäftigen, obwohl faktisch betrachtet dieser Teil der Geschichte nichts mit dem des Dritten Reiches zu tun hat, außer der dort gemachten Geschichtsklitterung, hat seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kaum jemand öffentlich von der Möglichkeit eines germanischen Heiligtums auf und im Gertrudenberg gesprochen. Die im 19. Jahrhundert von Stüve propagierte Erklärung scheint den Menschen Recht gewesen zu sein, zumal die Höhlen während des zweiten Weltkrieges als Luftschutzbunker genutzt wurden und diese Zeit ganz allgemein eine ist, die die Menschen gerne vergessen würden.

1993 erschien das Buch „Das Gertrudenberger Loch – eine künstliche Höhle in Osnabrück“ von Hans Morlo. Er fasst darin die bisherigen „Kenntnisse“ über die Höhlen zusammen. Dabei geht er unter anderem auch auf Legenden die sich um diese Höhlen ranken ein und er thematisiert die Theorien über ein germanisches Heiligtum. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass ein solches im Gertrudenberg niemals existent war.

Gleiches gilt auch für die zwei bislang gestarteten Versuche mit Hilfe eines Vereins die Öffnung der Höhlen für die Öffentlichkeit zu bewirken. Der zweite Verein dieser Art wurde im Februar 2011 in Osnabrück gegründet. Die Betreiber beider Vereine haben die offizielle Version übernommen und jeweils eine Artikelserie in der „ON am Sonntag“ veröffentlicht. In beiden Fällen entsprachen die dargestellten Versionen genau den Beschreibungen Morlos in seinem Buch.

Ich bin jedoch anderer Ansicht als sie und nicht von der offiziellen Version, die Geschichte der Gertrudenberger Höhlen betreffend, überzeugt. Meiner Meinung nach sprechen eine ganze Menge Gründe für ein Heiligtum in den Höhlen. Genauer gesagt halte ich die Höhlen für den zentralen Teil eines noch viel größeren heiligen Komplexes.
Heutzutage besteht die Schwierigkeit darin die eine oder die andere These zu beweisen. Sollten nicht noch historische Dokumente auftauchen die das eindeutig belegen gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten. In meiner Version verneine ich nicht die zeitweilige Nutzung der Höhlen als Steinbruch. Durch diese Nutzung ist die Höhle insoweit verändert worden, dass nicht mehr feststellbar ist, ob es hier vormals natürliche (Halb-)Höhlen gab oder wie der Komplex vor der Übernahme durch das Kloster ausgesehen hat. Die einzigen noch übrig gebliebenen Punkte um die Theorie eines Heiligtums zu bestätigen sind vier Aspekte der Höhle die kein normaler Bestandteil eines Steinbruchs sind, ja sogar in einem solchen absolut keinerlei Sinn machen. Diese sind der Brunnen, das Labyrinth, der Gang unter dem Fluss hindurch in die Stadt und die sog. Schneckengänge.

Diese „Schneckengänge“ existierten nördlich des ursprünglichen Höhleneinganges. Bei ihnen handelte es sich um unterirdische, sich nach unten hin konisch verjüngende Trichter, die untereinander, ebenfalls unterirdisch, miteinander verbunden waren. Man hat ihre Existenz erst wahrgenommen als die Decken dieser Trichter einstürzten.  Der erste von Lothmann erwähnte und bereits bestätigte Gang führte genau auf diese beiden Trichter zu. Diese Verbindung schien die einzige zu sein die die „Schneckengänge“ mit der Oberfläche verbanden. Doch existieren diese Trichter nicht mehr wodurch eine Untersuchung unmöglich ist.

Ähnlich unmöglich ist auch die Untersuchung des Brunnens, denn man kann auf wissenschaftlichem Weg nicht feststellen wann, nur dass er gebaut wurde. Die einzige Möglichkeit hier die Theorie eines Heiligtums zu bestätigen bestünde darin, dass man Dokumente und Urkunden fände die belegen, dass der Auftrag des Klosters nur darin bestand die Höhlendecke über dem schon vorhandenen Brunnen zu durchstoßen. Vielleicht könnte man einen derartigen „Beweis“ indirekt führen wenn man die angeführten Kosten umrechnet und sich daraus ergeben würde, dass die Unkosten des Klosters bei weitem nicht hoch genug waren um den kompletten Brunnen errichten zu lassen. Ein wirklicher Beweis wäre aber auch das nicht, denn es könnte ja sein, dass man damals zwei Rechnungen erstellte von denen nur noch eine erhalten ist. Eine der Rechnungen könnte, vielleicht aus dem Grund, dass die beiden Aktionen zeitlich zu weit auseinander lagen, in diesem Fall für den Bau des Brunnens und eine für die Deckenöffnung gewesen sein.

Ein starkes Indiz für ein Heiligtum wäre sicherlich der angebliche unter der Hase hindurch führende Gang vom Berg bis zum Standort des jetzigen Doms. Ein Beweis wäre dieser leider aber auch nicht.

Der einzig mögliche Beweis für die Nutzung dieses Ortes als Heiligtum liegt in dem von Lothmann beschriebenen Labyrinth. Sollte ein solches existieren und die Form einer Trojaburg haben, halte ich es für erwiesen, dass es sich hier um ein „heidnisches Heiligtum“ handelt. Sollte ein solches Labyrinth existieren, aber eine andere Form besitzen muss untersucht werden ob die Gänge der natürlichen Formation des Gesteins folgen oder nicht. Folgen sie dieser Formation ist dies ein Indiz für einen Steinbruch, denn dann kann man diese Gänge als Erkundungsgänge interpretieren. Verlaufen die Gänge jedoch den natürlichen Gesteinsschichten völlig konträr ist dies ein Indiz für ein Heiligtum. Allerdings leider nur ein Indiz. Gibt es dieses Labyrinth nicht, wie nach offizieller Lesart, ist das kein Beweis gegen die Theorie eines Heiligtums, sondern lediglich der Beweis dafür, dass die Beschreibungen Professor Lothmanns nicht zutreffend sind, er also gelogen oder zumindest gewaltig übertrieben hat. Ich sehe allerdings keinerlei Veranlassung an den Worten Lothmanns zu zweifeln, schließlich handelt es sich bei seinem Bericht um eine in seiner Zeit leicht nachzuprüfen gewesene Behauptung. In seiner Position als angesehener Professor und Jurist hätte ihm eine solche Falschaussage auch sicherlich immens geschadet. Auch hätte er durch eine falsche Behauptung keinerlei Vorteile gehabt, weder beruflich, noch privat oder finanziell.

Daher geh ich davon aus, dass dieses beschriebene Labyrinth tatsächlich existiert. Hier ist der Punkt an dem angesetzt werden muss um zu überprüfen welche der beiden Theorien den Tatsachen entspricht.
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